Kusen ist die mündliche Unterweisung während des Zazen. Auf den folgenden Seiten sind Kusen von Meister Tenryu zu lesen, Präsident der Zen-Vereinigung Deutschland.
Dokan Einweihung 2006
Dojo „DOKAN“ – Einweihung , Bochum , 19.05.06
Kusen von Meister Tenryu
In unserem Weg ist Zazen, ernsthaftes, ganzherziges Sitzen, der wichtigste Punkt. Wichtig nicht im gewöhnlichen Sinne von wichtig und unwichtig, sondern im Sinne von schwerwiegend, außergewöhnlich oder allumfassend. Im Genjokoan und im Zazenshin versucht Dogen Zenji dies zum Ausdruck zu bringen, was Zazen ist, soweit es in Worten möglich ist. Er sagt dort: „Das Mondlicht spiegelt sich in jedem Wassertropfen und in jedem Tautropfen. Aber der Tautropfen wird nicht gestört und der Mond wird nicht naß. Genauso wenig stört die Gegenwart des großen Weges den Menschen, noch kann der Mensch den großen Weg beflecken.“
Großer Weg meint allumfassende Wirklichkeit, die es schon gab, bevor wir geboren wurden und die es geben wird, nachdem unsere Zeit abgelaufen ist. Zazen bedeutet, dass Körper und Bewusstsein in diese Wirklichkeit eingefügt werden und nahtlos damit in einem Pulsschlag schlagen. Das wird erfahren und verwirklicht absolut unbewusst und natürlich, ohne dass das Bewusstsein etwas erkennen kann, etwas ergreifen oder etwas objektivieren. Das ist der subtile Punkt des Zazen, der subtile Punkt der Erfahrung.
Es verwirklicht sich einfach in unserem tagtäglichem Üben
Die meisten Menschen glauben, dass es beim Zazen darum geht, einen Zustand der Ruhe des Geistes zu erlangen, und den solange wie möglich zu halten oder nach Belieben da einzutreten oder auszutreten. Aber das ist nicht so. Das ist nicht der Weg.
Wirkliches Zazen, SHIKANTAZA, meint, das wir die Wirklichkeit, die Gegenwart des ganzen Universum erhalten, jetzt. Das ist unabhängig davon, ob es das Zazen eines Anfängers ist oder von jemand, der lange praktiziert. Aber es wird erhalten durch den ganzen Körper. Deshalb ist es unbewusst, natürlich. Wenn wir aufstehen von Zazen bemerkt unser Bewusstsein jedoch eine Veränderung, ohne diese Veränderung genau erklären zu können oder zu verstehen. In dem wir diese Praxis Tag für Tag fortführen, erhält unser Bewusstsein einen immer tieferen Einfluß durch die unbewusst natürliche Erfahrung. So hat Zazen letztendlich überhaupt nichts damit zutun, irgendeine Art von Geistesruhe zu erreichen, irgend eine Art von Erleuchtung, besonderes Wissen. Es ist das Ganze erhalten, unbewusst, natürlich, ohne dass unserem Leben etwas Schräges hinzugefügt wird und ohne dass wir es beflecken können. Es verbleibt vollständig rein und ohne Zugriffsmöglichkeit. Es verwirklicht sich einfach in unserem tagtäglichem Üben, Dokan, Ring des Weges.
Mit offenen Händen alles erhalten, ohne etwas besitzen zu müssen
DOKAN meint, das Anfangspunkt und Endpunkt sich immer von neuem finden und durch- dringen und einen neuen Anfangspunkt hervorrufen. Jeder Tag ist sowohl Anfangspunkt oder Ausgangspunkt, als auch Weg, als auch Ziel. Im gewöhnlichen Denken, in der sozialen Welt muß man immer weiterkommen. Aber wenn wir in unserem Leben nicht mehr wissen, wohin, nicht mehr ein noch aus, müssen wir zum ursprünglichen Ausgangspunkt zurückkommen. Das, was zuerst wie ein Rückschritt oder wie Verlust aussieht, ist der wirkliche Schritt direkt in die Wirklichkeit hinein. Es ist mit offenen Händen alles erhalten, ohne etwas besitzen zu müssen. Von Anfang an erhalten wir diese Wirklichkeit, gibt es diese Wirklichkeit. Es ist nicht so, dass wir unser Leben in etwas anderes verwandeln müssten, unsere Existenz ist schon das ganze Universum. Ku ... ohne Eigensubstanz und gleichzeitig sich ständig wandelnde Form.
Aber unser Bewusstsein ist darin eingefärbt und geblendet und wird sehr kompliziert ... Es kann nicht sehen, was eigentlich ist, legt sich fest auf Ansichten und Meinungen, die nicht der Wirklichkeit entsprechen. Sawaki Roshi sagte: „Zazen ist erhaben, weil das Universum erhaben ist, jenseits jeder Messbarkeit, absolut jenseits der Worte und Begriffe.“ In Zazen tun und erfahren wir etwas, was wir anderen mit Worten nicht erklären können. Wir können es nicht einmal uns selbst erklären. Es ist unergründlich.